The Secret of "Secret"
Geheime Chats und soziale Netzwerke, auf denen sich allerlei schreiben und veröffentlichen lässt, sind wohl das, womit Facebook nicht aufwarten konnte und auch nicht kann. Genau hier setzte das Angebot des anonymen Netzwerks "Secret" an. Einem sozialen Netzwerk in dem man sich völlig anonym über alles und jeden auslassen konnte, ohne sich Gedanken über seine Privatsphäre machen zu müssen.

Klingt nach einer Erfolgsgeschichte aus dem Silicon Valley mit Millionen an Investitionen? Silicon Valley stimmt, Millionen Investitionen auch, denn Secret erhielt im ersten Jahr 35 Millionen US-Dollar. Halten konnte sich Secret trotz der 15 Millionen Nutzer dennoch nicht lange! Hier die Geschichte eines grandiosen Scheiterns, über das man in Silicon Valley heute noch spricht.

15M+ User und 35M+ US-Dollar

David Byttow konnte sich in der Vergangenheit bei Google Wave und Google+ bewähren. Er kündigte jedoch, weil ihm die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen fehlten, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Im ersten Halbjahr von "Secret" kamen 15 Millionen Nutzer und 35 Millionen US-Dollar an Investitionen. Byttow beendete aber das Projekt und enttäuschte damit Investoren und Nutzer.

Secret Smartphone App

Secret Smartphone App

 

Klingt erst einmal nach einer Verlierergeschichte, wie sie sich immer noch tagtäglich im Silicon Valley zuträgt. Aber genau in diesem Silicon Valley läuft alles anders – Byttow ist kein Looser, er ist ein Hero. Ein Crash ist für ihn in erster Linie eine neue Erfahrung.

Was das Projekt zum Niedergang brachte waren keine willkürlichen Entscheidungen des Firmengründers. Unter der Oberfläche kam es in diesem sozialen Netzwerk zu Gerüchten, Diffamierungen und Grabenkämpfen der privaten Nutzer, politischer Feinde und gezielten Internet-Trollen. Was im Selbstverständnis der Anonymität als ein Grundpfeiler der Kommunikation untereinander anfing, wurde ad absurdum geführt.

David Byttow

David Byttow. Quelle: https://tjournal.ru/51219-byttow

 

David Byttow in einem Interview

Zwei Monate nach dem Schließen von Secret gibt David Byttow erste Interviews. Der Mann mit dem unscheinbaren Auftreten steht im Fokus des allgemeinen Interesses. Nicht zuletzt durch die doch beträchtlichen Summen an Investitionen, die frühzeitig generiert wurden, aber auch durch die Vorschusslorbeeren, die Secret und sein Gründer erhalten haben.

Hotellobby. Quelle: flickr / Michael Sauers / CC BY 2.0

Das Interview in einem Hotel

Die Einrichtung des Hotels, in dem wir uns treffen, ist in Ordnung: beige Töne, tiefe Sessel, eine ruhige Lounge.

 

Die Einrichtung des Hotels, in dem wir uns treffen, ist in Ordnung: beige Töne, tiefe Sessel, eine ruhige Lounge. Ich werde von einem erwachsenen und reservierten Mann in einem schwarzen T-Shirt und schwarzen Jeans begrüßt, im Gegensatz zu Start-ups in Shorts von Starbucks.

Es wird gemunkelt, dass nach der zweiten Investitionsrunde Byttow einen roten Ferrari gekauft hat, genauso einen, wie der des Gründers von Snapchat Evan Spiegel. Die Frage nach dem Auto wird ignoriert: "Über private Dinge gebe ich keine Auskunft."

Über Secret sagt er eifrig aber distanziert: "Ich habe alles zurückgelassen. Ich glaube daran, dass Dinge, die man schnell ins Leben gerufen hat, genauso schnell auch wieder fallen gelassen werden können, wenn etwas nicht gut läuft. Es war aber eine der schwierigsten Entscheidungen in meinem Leben."

Byttow, gebürtig aus Indiana, war an der Purdue University eingeschrieben, hat jedoch sein Studium nicht abgeschlossen. Schon frühzeitig kehrte er seinem Heimatstaat den Rücken zu, um fortan in Kalifornien zu arbeiten. Zehn Jahre war er als Programmierer bei einem Spielentwickler tätig. Danach folgten Stationen bei Google+ und Google Wave.

In einem seiner Interviews sagt Byttow, dass er beim Konzipieren und Entwickeln von Secret immer an Google Plus gedacht hat und immer angestrebt hat, Secret so zu entwickeln, dass es in all seinen Ausprägungen ein absolutes Gegenteil (!) zu Google Plus darstellt.

Nach der Zeit bei Google arbeitete er kurz bei Square mit Jack Dorsey, einem der Gründer von Twitter zusammen. Diese Zusammenarbeit inspirierte ihn schließlich dazu sein eigenes Unternehmen zu gründen, ohne genau zu wissen, in welche Richtung und Branche es laufen würde. Es folgten eine 90-tägige Weltreise und in der Folge die Umsetzung einer Shopping-App "Guild“ mit drei anderen Mitbegründern. Aber Guild hat Byttow gelangweilt und er suchte weiter.

Treffen mit Bader-Wechsler

Es kam zu einem Treffen mit einem talentierten Programmierer, Chris Bader-Wechsler, den Byttow zuvor bei Google selbst anstellte. Beide waren von der Idee angetan, eine App fürs Versenden anonymer Messages zu entwickeln. Zwar war das kein Novum mehr, denn es gab bereits Snapchat, jedoch sah man noch eine Lücke. So kam es dazu, dass beide "Whispr" entwickelt haben.

 

Beide Partner haben diese App Investoren gezeigt, konnten sie jedoch nicht davon überzeugen.

Ein soziales Netzwerk für anonyme Nachrichten

November 2013 kam es zu einer neuen Idee - ein soziales Netzwerk für anonyme Nachrichten aufzubauen. Wenn man bereits Nutzer eines sozialen Netzwerks war und dort mit Freunden verbunden, dann verfügte man auch über einen Möglichkeit dort anonym aufzutreten.

Investoren zu überzeugen, geriet diesmal zu einer der einfachsten Übungen für beide. Es musste nicht viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Ende 2013 erhielt das Unternehmen 1,4 Millionen US-Dollar von Google Ventures. Anfang 2014 war "Secret" im App Store erhältlich.

Secret (App) Eckdaten

Typ: Soziales Netzwerk
Herausgeber: Secret Inc.
Start: 30. Januar 2014
Entwicklungsstatus: inaktiv
Unterstützte Betriebssysteme: Apple iOS, Android
Secret Logo

Secret Logo

Der schnelle Aufstieg

Am 23. Mai 2014 wachte Byttow nachts auf und sah, dass auf den Servern zunehmend Traffic aus Russland einging. Was erst nach einem massiven Hackerangriff erschien, stellte sich sehr schnell als normaler Traffic heraus. Scheinbar verbreitete sich diese Art der anonymen Kommunikation im Land rasend schnell.

Traffic aus Russland. Quelle: flickr / Brian Klug / CC BY 2.0

Traffic aus Russland?

Was erst nach einem massiven Hackerangriff erschien, stellte sich sehr schnell als normaler Traffic heraus.

 

Den nächsten Monat haben Russen versucht, die technischen Besonderheiten beim System "Secret" zu verstehen. Eine von denen war die Funktion, die es Secrets Nutzer erlaubte, sich mit den Kontaktlisten aus dem Telefon und Facebook zu synchronisieren und über Secret anonym Messages zu teilen .

Es entstanden ganz schnell Gruppen und Grüppchen, wo beispielsweise über bestimmte Ereignisse, bekannte Persönlichkeiten, oder Personen aus dem gemeinsamen Freundeskreis anonym gelästert wurde. Ein viraler Effekt stellte sich ein.

Secret verbreitete sich in Russland auf die gleiche Weise, wie es auch in den USA Verbreitung fand. Inhalte bestanden aus Klatsch aus der IT-Branche, neuesten Nachrichten, aber auch intimen Geheimnissen. Sehr viel hat man sich anonym über die Politik und politische Ereignisse ausgetauscht.

Ein Land, über das Byttow nichts gewusst hat, ist zu einem wichtigen Markt für die anonyme App geworden. Hierzu wurden zwei russischsprachige Mitarbeiter in San-Francisco angeheuert, um Beiträge zu übersetzen, mit einem Monitoring-Team zusammen zu arbeiten und eine russischsprachige Gemeinschaft zu fördern.

Zielrichtung bei Byttow und Bader-Wechsler war es aber mit der Form der Kommunikation die Menschen ehrlicher und direkter kommunizieren zu lassen und auch unbequeme Dinge auszusprechen, über die man sonst nicht sprechen würde, weil man Angst hat oder es einem peinlich ist.

David Byttow "Das macht letztlich die Welt zu einem besseren Ort", schrieb Byttow 45 Tage nach dem Start von Secret.

Chris Bader-Wechsler "Secret ist eine Anwendung für eine introvertierte Person. Alle anderen sozialen Netzwerke sind für extrovertierte Personen", - erklärte Bader.

Was macht ein Startup erfolgreich?

Ähnliche Dienste gab es bereits in Silicon Valley auch vor Secret, aber Secret wurde in besonderer Weise behandelt. Er hatte alle Anzeichen dazu ganz groß zu werden:

  • der Gründer mit dem entsprechenden Background in den großen IT-Unternehmen
  • der Schwerpunkt auf das minimalistische Design, das im Valley so geliebt wird. Byttow, so wie die Gründer von Instagram und Twitter, konzentrierten sich auf Einfachheit und Intuition. Umschalten über das Wischen am Bildschirm, hat Secret bei Tinder abgeschaut, die Timeline der Nachrichten erinnerte an Instagram.
  • Die Gründer waren Schöngeister und auch von diesem Geiste bei ihrem Projekt inspiriert. So ging man davon aus, dass auf Secret kein Platz für Hetze, Missbrauch und Beschimpfungen sein würde, die zuvor anderen Angeboten zum Verhängnis geworden waren. Schöngeistigkeit sollte wiederum Schöngeistigkeit anziehen und somit auch zu Secret.

David Byttow "Wenn Du Produkte entwickelst, brauchst Du diese Eckpfeiler der Firmenphilosophie, damit die richtige Klientel angezogen wird. Das schafft Emotionen und guten Spirit", sagte Byttow.

Anfang 2014 gewann die Anwendung Popularität und zog die Aufmerksamkeit von wichtigen Menschen des Valleys auf sich. Chris Cox, Facebook-Vizepräsident, traf sich mit Byttow und diskutierte über das Thema Anonymität. Es gab Gerüchte, dass Facebook die App kaufen könnte. Zuvor hatte man bei Facebook ähnliche Angebote getestet.

Kapitalisierung im Vergleich zu anderen anonymen Chats, Messenger und sozialen Netzwerken:
- Snapchat - 15 Milliarden US-Dollar
- YikYak - 300-400 Millionen US-Dollar
- Whisper - 200 Millionen US-Dollar
- Secret - 100 Millionen US-Dollar

Alles dreht sich um das junge Publikum von Facebook

Im März 2014 kam es zu einer erneuten Kapitalrunde, bei der 8,6 Millionen US-Dollar ins Unternehmen kamen. Es handelte sich um Venture Kapital verschiedenster Investoren. Darunter befanden sich Google Ventures, Kleiner Perkins, Caufield & Byer, der Schauspieler Ashton Kutcher und Reddit Gründer Alexis Ohanian.

Alexis Ohanian Ohanian dachte, dass Secret in der Lage sein würde, junges Publikum von Facebook anzusprechen, die einen anderen Weg der Kommunikation bevorzugen würden und somit zu einem ernsthaften Facebook-Konkurrenten wird. Man hat das Bedürfnis, seine auch intimen oder fragwürdigen Gedanken anonym und ehrlich mit den anderen zu teilen. Unter eigenen Namen geht das nicht, weil das Karrieren zerstört.

Man muss sehen, dass zu dieser Zeit immer wieder über das Googeln von Bewerbern diskutiert wurde und das Bewusstsein für den Umgang mit Daten gerade aktuell war. Facebook bot da wenig Schutz der Privatsphäre.

Danny Rimer Für die Anleger erschien Secret in dieser Zeit als eine Art Goldgrube. So schrieb Danny Rimer von Index Ventures: "Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung liegt in unserem Wunsch begründet, nicht alleine sein zu wollen." Später, nach dem Secret Geschichte war, ließ man diese Einträge wieder löschen, wohlwissend, dass man sich in seiner Einschätzung geirrt hatte. Index Ventures hat alle Informationen über das Unternehmen von seiner Website entfernt.

Secret Dens, ein Durchbruch?

Im Juni 2014 verkündete Secret die "Secret Dens" - anonyme Gruppen für Teams, die von Mitarbeitern von Google, Facebook und Twitter genutzt wurden. Es schien, dass der geschäftliche Durchbruch nah war, aber in Wirklichkeit war Secret bereits in großen Schwierigkeiten.

Die Inhalte auf Secret werden immer problematischer

Auf Secret werden die anonymen Einträge immer problematischer. Gerüchte, Verleumdung, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Mobbing sind nur einige der Bereiche, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Auch die Publikationen von Internet-Trollen nehmen zu.

Mark Suster "Ein Viertel der Posts auf Secret ist frauenfeindlich. Ein Viertel homophob oder Mobbing"- so beschrieb Secret Mark Suster, ein Venture Investor, der von anonymen Trollen im Secret angegriffen wurde.

Die Anwendung hat in der Tat vielen ganz gut gefallen, aber das psychologische Experiment von Byttow scheiterte. Secret füllte sich, trotz seiner Schöngeistigkeit immer mehr mit Klatsch und Verleumdung.

Das Ganze lief dann auch richtig aus dem Ruder, als auf Byttow Druck von Organisationen und Lobbygruppen ausgeübt wurde, die sich mit Selbstmorden aufgrund von Mobbing und ähnlichem beschäftigten. Anonyme Netzwerke galten als Plattformen, von denen eine Gefährdung ausging.

Die Medien schrieben Nachrichten auf der Grundlage von in Secret aufgeschnappten Gerüchten, das irritierte die ernsthaften Nachrichtenmacher und schaffte entsprechend negative Schlagzeilen. In zunehmendem Maße begannen die Meinungsführer, die vor ein paar Monaten Secret unterstützt haben, es zunehmend anzufeinden.

Sam Altman "Anonyme soziale Netzwerke werden schlechter, wenn sie größer werden . Im Gegensatz zu Twitter und Facebook, die mit Wachstum immer nur besser werden", - schrieb der Präsident von Y Combinator Sam Altman.

Stimmen wurden laut, nachdem Secret so konzipiert sei, dass es negatives Verhalten und Demütigungen von Menschen erst ermögliche. Secret wurde mit ähnlichen Angeboten verglichen. Darunter auch eine anonyme Plattform, auf der sich bereits im März 2010 ein 17-jähriger nach Veröffentlichungen zu seiner Person das Leben genommen hatte, wegen Mobbing und negativen Kommentare über ihn.

In der Vergangenheit war das bei ähnlichen Angeboten schon mehrfach passiert. Früher oder später verwandelten sich diese Plattformen zu Monstern, die außer Kontrolle gerieten. Formspring wuchs auf 25 Millionen Nutzer und schloss 2013 genau deshalb.

Auch der Einsatz von Moderatoren bei Secret konnte nichts an der Lage verbessern. Ein Jahr später schon fand man Secret nicht mehr im App Store.

Whisper, der Konkurrent von Secret, hat eine gemeinnützige Organisation "Your Voice“ geschaffen, um Selbstmord und Cyberbullying zu bekämpfen. Der Pressedienst sagte, dass der Service bereits 50.000 Nachrichten mit der Erwähnung von Selbstmord an die Hotline der Nationalen Organisation für Selbstmordprävention gesendet hat.

Ryan Jenssen "Anonyme Anwendungen sind sehr schwierig zum promoten", erklärt Ryan Jenssen, der Gründer von "Memo" - eines Dienstes um anonym bei der Arbeit zu sprechen. Die Leute reden nicht miteinander öffentlich, so dass nur schwer Dinge viral werden. Die Leute bauen dort keinen Ruf auf, weil es anonym aus der Natur heraus unmöglich ist, somit gibt es keinen Anreiz, dort qualitativ hochwertige Inhalte zu kreieren. "

"Wunderschönes Design zieht schöne Inhalte an" ist naiv

Die Gründer von Secret haben die Naivität der Idee von "das wunderschönes Design schöne Inhalte anzieht", erkannt. In diese Zeit geriet Secret mitten in einen Skandal, der von der Zeitschrift "PandoDaily" losgetreten wurde. Der PR-Direktor von Secret Sarahjane Sacchetti reagierte nicht auf den Vorschlag des Chefs der Stiftung für Selbstmordbekämpfung, über das Problem Selbstmord zu diskutieren. Nach den Angriffen der Medien entschuldigte sich Sacchetti und kündigte bald seinen Job.

Secret "verbrannte" währenddessen Investitionen für Gehälter von Moderatoren - 150 Menschen in den Philippinen und Guatemala, täglich Millionen von Posts entfernten. Parallel dazu musste sich Secret mit einem starken Konkurrenten auseinandersetzen, "Yik Yak".

Yik Yak vs. Secret

Yik Yak begann sich rasend schnell an Schulen und Universitäten in den USA zu verbreiten. Im Juni 2014 erhielt Yik Yak 10 Millionen US-Dollar an neuem Kapital, im Herbst war die Summe der neuen Investoren, die zu Yik Yak wollten, auf 62 Millionen angewachsen.

Yik Yak

Yik Yak

Die App könnte man als wie "anonymes Twitter" bezeichnen. Allerdings ist die Kommunikation in Yik Yak territorial begrenzt: die Reichweite für Messages ist auf 1,5 Meilen eingeschränkt - die App ist mit dem GPS System im Smartphone verbunden.

 

Secret entwickelte sich besser außerhalb der USA: in Russland, Mexiko, Brasilien, den Niederlanden, Indonesien - und darum ging der amerikanische Markt verloren. Die Nutzerzahlen in den USA gingen wegen des Zustroms von ausländischen "Perversen" zurück. Der Hauptkonkurrent hat schnell die Lektion gelernt: Yik Yak hat den Zugang zur App aus Entwicklungsländern geschlossen - es konnte beispielsweise nicht aus Russland heruntergeladen werden.

In den Entwicklungsländern, har Secret auch nicht wirklich einen Erfolg erreicht - der Service nahm eine wenig versprechende Nische an "der App für eine Nacht". Es funktionierte wie ein Virus - verbreitete sich sehr schnell und starb genau so zügig. In Russland war Secret am 28. Mai in der Top-Fünf Apps in der russischen App Store, und am 15. Juni verschwand es ganz aus dem Rating.

David Byttow "Wir haben neue Funktionen für russische Nutzer eingeführt und in VKontakte integriert, aber Russland hat einfach auf Secret verzichtet.", klagt Byttow. "Dann habe ich zuerst erkannt, wie es funktioniert: Der Service wird populär, aber dann werden die Leute müde davon."

In Brasilien wurde der Dienst schnell von den Behörden verboten – seine Markteinführung fiel in die Zeit der Vorwahlen und zum Präsidentschafts-Rennen. Tausende von bezahlten Trollen begannen, geheime Beweise gegen Kandidaten zu veröffentlichen.

Im August verdonnerte das brasilianische Gericht Apple und Google, die Anwendung aus den App Stores zu entfernen und Nutzer es von eigenen Handys, die es heruntergeladen haben! Die Strafe für jeden verspäteten Tag betrug 9.000 US-Dollar. Genau dann machte Apple zuerst von der Funktion "Kill Switch" Gebrauch - Entfernen einer App vom Handy des Benutzers ohne sein Wissen!

Drei Hauptverluste

Bald nach der zweiten Investitionsrunde enthüllte Secret auch das Geheimnis seiner Schöpfer.

"Die Secret-Gründer verkauften einen Teil ihrer Aktien für 6 Millionen US-Dollar, 3 Millionen pro Nase. Immer ein gutes Zeichen ", schrieb sarkastisch ein anonymer Autor. Wenn die Gründer Geld rausziehen, dann erwarten sie nicht, dass das Unternehmen an Wert gewinnen wird. In der IT-Szene verursachte die Geschichte ein großes Interesse. Es stellte sich heraus, dass Byttow einen roten Ferrari für das Geld gekauft hatte.

The New York Times "Byttow und Bader versicherten den Mitarbeitern, dass sie sich immer noch dem Unternehmen widmen, aber es war ein Wendepunkt", schrieb die NYT. Alle haben beschlossen, dass durch den Verkauf eines Teils der Aktien, sich die Gründer abgesichert haben.

Ryan Jenssen Ryan Jenssen glaubt, dass Secret den falschen Fokus gewählt hat: "Er wurde ein anonymes Netzwerk für Freunde, aber Freunde teilen ihre Geheimnisse immer noch miteinander. Deshalb wird die Diskussion bei anonymen Apps immer eine Diskussion über die dunkelsten und abscheulichsten Themen."

David Byttow Die letzten sechs Monate bei Secret versuchte man sich als Kopie von Yik Yak, doch auch das half nicht aus der Krise heraus. Im Gegenteil, diese Veränderungen sorgten dafür, dass sich immer mehr Menschen abwandten. "Es half nichts, die Menschen haben sich von Secret angewendet und von der Magie von einst blieb nicht viel übrig", so Byttow.

Die Chronologie der Ereignisse:

- Start: Oktober 2013
- Investoren-Runde Dezember 2013: 1,4 Millionen US-Dollar
- Runde A März 2014: 8,6 Millionen US-Dollar
- Runde B Juli 2014: 25 Millionen US-Dollar
- Ende von Secret: April 2015

Chris Bader geht

Hinzu kam noch, dass sich Chris Bader aus dem Unternehmen verabschiedete. Kurz nach der Markteinführung der neuen Version, teilte er das mit. "Es ist die Zeit gekommen, in der das Team die richtigen Dinge tun muss, ich konzentriere mich dabei lieber auf das, was ich am besten kann", sagte Bader.

Der Rückgang des Partners hat die Entwicklung des Projektes stark negativ beeinträchtigt. Im April kam dann Byttow nicht mehr zur Ruhe. Im schwarz gekleidet, traf er sich immer wieder mit neuen Investoren und besprach die weitere Zukunft von Secret. Es war weniger als ein Jahr her, dass Secret noch Investitionen in Höhe von 25 Millionen US-Dollar ins Unternehmen bringen konnte.

Byttow war zu müde um noch zu kämpfen, zu diesem Zeitpunkt blieb weniger als die Hälfte des Teams bei ihm. Am 29. April veröffentlichte er einen Beitrag auf Medium. "Sonnenuntergang". Das Projekt wurde geschlossen.

Meinungen zum Secret-Aus

"Fast alle erfolgreichen Unternehmen durchleben in einem frühen Stadium mindestens zwei oder drei grundlegende Veränderungen in der Strategie (Pivot), dass nach dem Start der ersten Version des Produkts klar wird: "da ist etwas dran", aber "da fehlt etwas". So war es auch mit Secret – es war offensichtlich, Nutzer benötigen anonyme Kommunikation in einer einfachen Weise und im schlichten und einfachen, aber schönem Design. Aber das ist etwas zu wenig für eine langfristige Entwicklung...

An diesem Punkt können keine Investoren mit ihrem ganzen Geld helfen – die Gründer müssen selbst eine Lösung finden. Dies ist das, was milliardenschwere Unternehmen von den Mittelmäßigen unterscheidet. Der Weggang von einem der Gründer ist fatal für das Unternehmen geworden. Das Aus war jedoch nicht nötig - Optionen gab es viele: zum Beispiel konnte man in Secret schnell die Zeichen für eine erfolgreiche Dating-App erkennen - diejenigen, die dort miteinander kommuniziert haben, haben einander direkt in den Diskussionen kennengelernt.

Vor der Schließung hatte das Projekt ein großes Publikum - den letzten Post von Byttow haben 160 000 Menschen geliked, aber das Unternehmen hat nicht versucht, mit ihnen zu arbeiten. "Sie schließen gerade und geben sich auf, obwohl es noch Geld für mindestens drei Pivots gibt", schreibt verwirrt ein Branchenkenner.

Er listet jedoch auch die technischen und Produktprobleme von Secret auf: der Cache hat nicht funktioniert (regelmäßige Benutzer mussten die App immer neu installieren), die App erlaubte den Nutzern nicht normal miteinander zu kommunizieren, Updates gab es zu selten.

"Die ganze Geschichte von Secret ist ein ständiges Zweifeln und Hin und Her von einer Option zur anderen. Die Gründer haben die Funktion hinzugefügt, um sich dann wieder zu entfernen. Zusätzliche private Chaträume hinzugefügt, dann entfernt und erneut hinzugefügt. Wenn das Feature hinzugefügt wird, gibt es das Publikum, das sich daran gewöhnt. Und plötzlich wurde ein treues Publikum das Feature weggenommen, das sie so gerne hatten."

Das Ende

"Es gibt eine unausgesprochene Regel im Valley - es ist nicht gut, über die Unternehmen zu sprechen, für die Sie gearbeitet oder investiert haben", erklärt ein IT-Unternehmer, der in San Francisco lebt. Reputation ist hier sehr wichtig. Der Redpoint Fonds schrieb, wie sie von der Tatsache inspiriert waren, dass sie an der Investitionsrunde teilnehmen durften. Jetzt gibt es nicht mal ein Logo von Secret im Portfolio oder auf der Website.

"Es war ein Team von talentierten Leuten, wo jeder über das Produkt nachdachte. Investoren warteten darauf, was daraus werden könnte, aber als Ergebnis geschah es, dass alle ihre eigenen Schlussfolgerungen gemacht haben", sagt ein ehemaliger Secret Mitarbeite auf die Frage hin, wie das Team auf die Schließung des Projekts reagierte.

Byttow hat sich den ersten Monat nach der Schließung von Secret damit beschäftigt, sein Team unterzubringen – vermittelte Kollegen an Uber, Twitter und andere Unternehmen.

David Byttow "Ich bin mir sicher, das nächste Projekt garantiert kein soziales Netzwerk mehr sein wird" – sagt er. Soziale Produkte sind ein Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Sie sind nur interessant, wenn sie von vielen Leuten genutzt werden, und es ist sehr schwer mit der heutigen Konkurrenz zu wachsen. Nur wenige können den Erfolg von Facebook und Twitter erreichen. Nur Snapchat konnte das. Wir haben an Popularität gewonnen, aber es ist schwierig, das Produkt nachhaltig zu machen."

Auf die Frage hin, ob Byttow bereit sei neue Firmen zu gründen, antwortet er: "Diese Fails bedeuten nichts. Picasso hat sieben Jahre lang Bilder gemacht, und sie wurden verkannt." Die Worte des Dramatikers Samuel Beckett "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better" wurden zum Mantra des Silicon Valley.

Deshalb sind viele Unternehmer glücklich, schnell von der Universität zu fliegen und ein Business zu gründen. Startups sind die gleiche Schule, nur viel krasser. Amerikanische Investoren, Konkurrenten und Angestellte verfluchen den Looser nicht (zumindest öffentlich) - das bedeutet, dass er stolz sein kann, auch mal gescheitert zu sein.

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