Jivosite ist ein erfolgreicher Softwareentwickler, der zwar über eine Firmenzentrale verfügt, aber deren Mitarbeiterpool dezentral organisiert ist. Dazu bedient man sich viele digitaler Helfer und Formen der Kommunikation.
Homeoffice kennt man bereits, macht man, weiß aber auch, dass das Arbeiten von zuhause aus mit vielen Ablenkungen verbunden ist und der Output selten dem entspricht, was in einem herkömmlichen Arbeitsplatz an Effizienz erreicht werden kann.
Einzelarbeitsplätze aus der Ferne und in eigenen Einzelbüros setzen sich immer mehr bei IT-Jobs durch – es sind dezentrale Arbeitsplätze. Ein griffiger Begriff dafür muss erst noch gefunden werden.
Es erinnert an Homeoffice, ist es aber nicht
" Das Entwicklungsteam von JivoSite war und ist immer verteilt und dezentral gewesen, erzählt Nikolai Ivannikov. Timur Valishev und ich haben das Team von Entwicklern im Jahr 2012 erstmal organisiert, ohne dass wir Arbeitserfahrung im Bereich "Remote Entwickler" hatten.
Jetzt haben wir mehr als 50 Entwickler im Team und ich bin mir sicher, dass unsere Mitarbeiter mit den Vorteilen zufrieden sind, die sich außerhalb von zentralen Büroarbeitsplätzen bieten. Es erinnert an Homeoffice, ist es aber nicht."
Es erinnert an Homeoffice, ist es aber nicht
Wenn auch Sie daran denken, ein dezentrale Arbeitsplätze zu schaffen, sollten Sie einige Details berücksichtigen, auf die ich im Folgenden eingehen werde. Gearbeitet wird von außerhalb, aber nicht von zuhause.
Gearbeitet wird von außerhalb, aber nicht von zuhause
Personaleinstellung
Bei der Auswahl von Kandidaten für einen Job außerhalb des Firmenstandorts, sind Sie nicht auf eine Stadt, Region oder Land mit seinem dortigen Gehaltsgefüge beschränkt, sondern verfügen über mehr Freiheiten.
Wenn Sie beispielsweise einen Spezialisten ohne Erfahrung zur Fernarbeit einladen, besteht das Risiko, dass er die Probezeit nicht besteht. Wir sind immer wieder darauf gestoßen, dass gute Kandidaten mit ausgezeichneten Empfehlungen aus der letzten Vollzeitstelle sich nicht auf Fernarbeit einstellen können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter mit dieser Form der Arbeit dann doch nicht zurechtkommen, schätze ich auf 30 Prozent ein. Zur gleichen Zeit, wenn der Kandidat überhaupt keine ernsthafte Berufserfahrung hat, entstehen solche Probleme nicht und er kann sich von vorne herein besser in diese Arbeitsform einfügen.
Arbeiten aus der Ferne, aber mit externem Büro
Wir bitten den Kandidaten immer, uns seinen Arbeitsplatz zu zeigen. Wir vereinbaren mit ihm unbedingt, dass er eine separate Wohnung oder ein kleines Büro mietet.
Viele Leute denken, dass es möglich ist, Software in der Küche und mit Kindern im nächsten Raum zu programmieren und zu testen, aber das ist Selbsttäuschung. Es ist zwar möglich, aber wirklich effektiv kann nur in einer ruhigen Umgebung gearbeitet werden.
Wir vereinbaren mit dem Kandidaten unbedingt, dass er eine separate Wohnung oder ein kleines Büro mietet. Viele Leute denken, dass es möglich ist, Software in der Küche und mit Kindern im nächsten Raum zu programmieren und zu testen, aber das ist Selbsttäuschung.
Bei JivoSite wissen wir, dass nicht jeder für diesen Job geeignet ist. Wir haben bei uns eine Probezeit von drei Monaten, die sich als sehr sinnvoll erwiesen hat.
Dezentrale IT-Infrastruktur
Vor der Aufnahme der Arbeit aus der Ferne ist es notwendig, alle relevanten Zugänge für den Mitarbeiter einzurichten und Probedurchläufe zu machen. Neben der Erfassung administrativer Angaben zum Mitarbeiter, NDA, Einrichtung der Email Accounts, sollten sämtliche Zugänge auf Slack, Tracker, CVS, Datenbanken, Entwicklungsumgebung und projektbezogene Bereiche bereitgestellt sein.
Nachdem ich diesen Prozess zusammen mit den Kandidaten mindestens 20 Mal durchlaufen habe, kann ich folgende Empfehlungen geben:
- Bringen Sie den Kandidaten den richtigen Umgang mit Passwörtern und ssh-Schlüsseln bei. Es scheint lächerlich, aber die meisten Bewerber verwenden keine Passwort-Manager, schützen nicht ihre ssh-Schlüssel und sind im Allgemeinen nicht der damit verbundenen Risiken bewusst. Dies ist immer leicht zu beheben: notieren Sie die Richtlinie zum Speichern von Schlüsseln und Kennwörtern und machen Sie die Mitarbeiter damit vertraut.
- Automatisieren Sie den Start der Entwicklungsumgebung. Zu Beginn ist es nicht einfach, sich Zeit dafür zu nehmen, aber ich bedauere, dass wir das nicht viel früher gemacht haben.
Zu einer persönlichen Arbeitsumgebung in 15 Minuten
Jetzt hat der Neue bei JivoSite einen vollständigen Start seiner persönlichen Arbeitsumgebung in 15 Minuten geschafft: er benötigt nur einige Formularfelder auf einer speziellen Website auszufüllen und nach einer kurzen Wartezeit kann er sich in seinem virtuellen Bereich im JivoSite-Cloud einloggen.
Automated-Deployment Tools und Cloud Virtual Server
Jetzt gibt es eine große Auswahl an "automated-deployment Tools" wie Ansible, Docker, Vagrant und anderen. In unserer Firma wird Ansible genutzt, aber es war nicht immer so.
Früher arbeiteten wir mit Image einer virtuellen Maschine, das wir jedes Mal manuell aktualisierten, wenn wir einen neuen Kandidaten rekrutierten. Dies verlangsamte uns, nahm viel Zeit und Mühe in Anspruch. Ich möchte Folgendes hervorheben: wenn Sie bereits zwei Mitarbeiter haben und sich zu erweitern planen – kümmern Sie sich um die Automatisierung des virtuellen Deployments.
Wenn Sie bereits zwei Mitarbeiter haben und sich zu erweitern planen – kümmern Sie sich um die Automatisierung des virtuellen Deployments.
Jetzt hat der Neue bei JivoSite einen vollständigen Start seiner persönlichen Arbeitsumgebung in 15 Minuten geschafft: er benötigt nur einige Formularfelder auf einer speziellen Website auszufüllen und nach einer kurzen Wartezeit kann er sich in seinem virtuellen Bereich im JivoSite-Cloud einloggen. Realisiert haben wir es mit der Kombination von Amazon EC2 und Ansible.
Ohne Automatisierung dauerte dieser Prozess ein oder zwei Tage der mühsamen Arbeit, wobei dem Neuen noch jemandem aus dem Team helfen musste. Dies erweckte den Eindruck von Desorganisation und beeinträchtigte stark die Einbeziehung in die Arbeit.
Nachdem der Mitarbeiter die Registrierung gemeistert hat, kann er seine Arbeitsumgebung und einen lokalen Server auf einer virtuellen Maschine einrichten. Seitdem wir jedoch auf Cloud-basierte virtuelle Server umgestiegen sind, verwendet bei uns fast keiner mehr einen lokalen Server.
Seitdem wir auf Cloud-basierte virtuelle Server umgestiegen sind, verwendet bei uns fast keiner mehr einen lokalen Server
Jeder Cloud-Server kostet uns etwa 10 US-Dollar pro Monat, aber gleichzeitig sparen wir viel Zeit. Wenn es ein Problem gibt, können wir uns bequem von außerhalb einloggen und helfen, anstatt es mit Team-Viewer oder ähnlichen interaktiven Hilfsmitteln zu tun.
Außerdem haben wir ein paar Video-Tutorials für Anfänger angefertigt. Dies reduzierte den Kommunikationsaufwand bei der Erweiterung des Teams erheblich.
Organisation der Arbeit
Morgens Briefing
Trotz der Tatsache, dass Fernarbeit einen flexiblen Zeitplan beinhaltet, finden täglich um 10:00 Uhr Meetings statt, die für alle verbindlich sind. Die Zeit für die Konferenz wurde auf den Beginn des Arbeitstages bei den meisten Mitarbeitern gelegt.
Kollektive Briefings disziplinieren und stimmen auf die Arbeit ein. Sie helfen dabei, sich als ein Mitglied eines Teams wahrzunehmen. Für die Fernarbeit ist das besonders wichtig.
Kollektive Briefings disziplinieren und stimmen auf die Arbeit ein.
Wir kamen nicht sofort auf die Notwendigkeit der kollektiven morgendlichen Briefings. Im Rückblick denke ich, dass wir falsch lagen, denn früher haben die Teamleads sehr viel Zeit für die gestrigen Ergebnisse und grundsätzlich Koordination des Teams benötigt.
Bei Scrum / Agile werden zum gleichen Zweck morgendliche Stand Ups eingesetzt. Bei Fernarbeit ist es allerdings nur schwer möglich, daher sind die Briefings so wichtig.
Nichts gegen Freaks und Nerds, aber...
Wir haben überhaupt nichts gegen Freaks und Nerds, zumal sie äußerst effektiv sein können. Aber wir wollen doch ein wenig Kontrolle darüber haben, wie sich die Arbeit auf den Menschen auswirkt.
Meetings und Videokommunikation
Alle Meetings und Besprechungen innerhalb des Teams werden per Videotelefonate geführt. Das ist komfortabler aus psychologischer Sicht. Ein Programmierer, der von Zuhause aus arbeitet, kann leicht zum Asketen werden. Wir haben überhaupt nichts gegen Freaks und Nerds, zumal sie äußerst effektiv sein können. Aber wir wollen doch ein wenig Kontrolle darüber haben, wie sich die Arbeit auf den Menschen auswirkt.
Die tägliche Videokommunikation mit Kollegen stellt sicher, dass eine Person sich und ihren Arbeitsplatz in Ordnung bringt. Dementsprechend wird es Ordnung in der Arbeit geben.
Ein wichtiger Aspekt ist die Qualität der Audio- und Videokommunikation. Es sollte perfekt sein, und wenn es nicht so ist - dann ist dies ein Problem, das eine sofortige Lösung erfordert. Die Qualität der Verbindung hängt von den Eigenschaften und der Art der Ausrüstung, dem Internetkanal und dem Kommunikationsdienst ab. Es ist notwendig, alle Parameter zu kontrollieren.
Falls der Mitarbeiter Probleme mit dem Kanal hat, bitten wir, den Tarif bzw. Anbieter zu wechseln, eine Verbindung zum Router über das Kabel herzustellen, das WLAN-Router näher zu platzieren, die Torrents auszuschalten und so weiter. Das Problem mit der Ausrüstung, haben wir mit USB-Headsets gelöst. Nach unserer Erfahrung bieten die Bluetooth-Geräte zu wenig Stabilität.
Die Einfachheit der spontanen Videoanrufmöglichkeit ist auch deshalb zu gewährleisten, weil ansonsten zu Chat gegriffen wird. Dies wiederum ist ein Nährboden für Missverständnisse der Form: „Ich schrieb ihn gestern an und er hat nicht geantwortet“. Bei einem Videoanruf ist in solchen Fällen möglich, den erneuten Anruf gemeinsam mit dem Teamleiter zu unternehmen.
Treffen
Unser erster Kongress fand im zweiten Jahr des Firmenbestehens statt, als wir ungefähr sieben Leute waren. Seitdem veranstalten wir jedes Jahr Kongresse. Programm: Minimum - drei Tage, tagsüber - gemeinsame Arbeit, Austausch von Erfahrungen, Training. Am Abend - Paintball und andere Arten von Teambuilding.
Ein paar Tipps für die Durchführung von Treffen aus unserer Erfahrung
Besser ist es jedoch, ein Treffen nicht als Aufwand, sondern als eine wichtige Investition zu betrachten. Es ist schwierig, sich etwas Effektiveres vorzustellen, um die Kommunikation von Menschen zu verbessern, die sich bisher nur per Chat und Videokommunikation gekannt haben.
Schlussfolgerungen zur Organisation der dezentralen Arbeit unserer Entwickler
- Die Organisation der Fernarbeit ist auch für komplexe Systeme möglich. Alles hängt von der Organisation und Koordination des Workflows ab.
- Ein Unternehmen, das Fernmitarbeiter einsetzt, spart viel Geld bei der Anmietung eines Büros und erhält qualifizierte und nachhaltige Fachkräfte.
- Die Organisation der Entwicklung für solche Arbeitsplätze erfordert den Einsatz spezieller Software und strenger Informationssicherheitsbestimmungen.
- Es ist wichtig zu verstehen, dass dezentralen Arbeitsplätze einige emotionale Probleme mit sich bringen. Nicht jeder kann lange selbständig auf dem gleichen Level arbeiten, wenn die gesamte Kommunikation auf Bilder auf dem Bildschirm oder Wörter im Chat reduziert wird. Menschen brauchen emotionale Entlastung und Zusammenhalt in der Mannschaft.
Achten Sie deshalb immer auf Videokonferenzen und regelmäßige Kongresse. Das ersetzt ein wenig das persönliche Arbeitsumfeld, das man in einer Firma hat und vermittelt gut, dass sich hinter Avatars und Nicknames in Chats echte Menschen befinden.
Nachtrag 2021: Remote wird zum Einhorn
Der Trend zu Remote Work Modellen entwickelt sich ununterbrochen. Der in den USA ansässige Dienst für die Vermittlung von Mitarbeitern in anderen Ländern "Remote" hat 150 Millionen Dollar bei einer Bewertung von über 1 Milliarde Dollar erhalten. Das Startup kümmert sich um den gesamten Papierkram für die Mitarbeiter, wie Lohnabrechnung, Steuern und vielem mehr.
Die Runde wurde von Accel angeführt, mit Beteiligung von bestehenden Investoren wie Sequoia Capital, Index Ventures, Two Sigma Ventures, General Catalyst und anderen. Die Partner haben die Bedingungen der Vereinbarung nicht bekannt gegeben.
Das Startup wurde 2019 vom ehemaligen GitLab Product VP Job van der Wurth und dem ehemaligen Unbabel VP of Development Marcelo Lebre gegründet. Seit seiner Gründung hat Remote 196 Millionen US-Dollar aufgebracht.
Die Plattform unterstützt Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern auf der ganzen Welt und kümmert sich um Löhne, Sozialleistungen, Steuern, Compliance und andere Fragen. Das Unternehmen ist in 47 Ländern tätig, in denen es über eigene Juristen und Personalspezialisten verfügt, und plant, bis Ende 2021 auf 80 Länder zu expandieren.
Laut Remote hat das Startup Tausende von Kunden, darunter GitLab, loom, Cargo.one und andere. Das Unternehmen gibt keine Finanzzahlen bekannt, sagt aber, dass der Umsatz seit Jahresbeginn um mehr als das 65-fache gestiegen ist. Seit November ist die Zahl der Beschäftigten von 50 auf 220 gestiegen.