"Powa" - wie man 200 Millionen in 2 Jahren verpulvert... not very british

London - "Fish, chips, cup 'o tea, bad food, worse weather, Mary f'cking Poppins?” Es geht auch anders: ein Startup macht eine 200 Millionen Dollar Party, bis nach zwei Jahren die Lichter ausgehen! Alles weg… not very british

Man kann ja über Londoner Geschäftsleute sagen was man will, aber feiern können sie! Frei nach diesem Motto haben sich die Macher eines IT-Startups wohl verhalten, als man ihnen über 200 Millionen an "Spielgeld" über Investoren anvertraut hatte.

Allen voran bei dieser über mehrere Jahre anhaltenden Sause war der Party-Zeremonien-Meister Dan Wagner, der bis dato als eher zurückhaltender Geschäftsmann aufgetreten war. 200 Millionen können einen aber schon anfällig machen. Wofür? Leichte Mädchen, Champagner & Co., noble Büros mit Jahresmieten von 3,5 Millionen US-Dollar in der Londoner City, Bling Bling und ein Leben im Luxus. Keiner hat sich beklagt und alle profitiert, bis das Geld verpulvert war und der große Crash unabwendbar! Heute warten die sonst so besonnenen britischen Investoren immer noch auf ihr Geld. Game over! Sicher war es den Spaß wert.

Ein Hoffnungsträger

"Powa" ist eine dieser Erfolgsgeschichten bei den Startups, die jedoch recht schnell ein Ende nahm. Ein IT-Unternehmen, das Mitte der 2000er Jahre gegründet wurde und sich mit der Entwicklung von Technologien für den mobilen Zahlungsverkehr beschäftigte.

Schon zu Beginn an, sahen viele Investoren in Powa einen Hoffnungsträger im IT-Bereich und die Millionen flossen ins Unternehmen. Im Jahr 2013 gewann Powa auch die Aufmerksamkeit des Premierministers David Cameron, der sie für die Schaffung so vieler neuer Arbeitsplätze auszeichnete.

Ein Jahr später schon wurde der Unternehmenswert auf 2,7 Milliarden US-Dollar geschätzt. Powa wurde so zum Einhorn. (Als Einhörner werden erfolgreiche Startups bezeichnet, mit der Bewertung von über 1 Milliarde US-Dollar).

Fiktive Kunden bringen Boni

Die Kasse klingelt

Ein Jahr später schon wurde der Unternehmenswert auf 2,7 Milliarden US-Dollar geschätzt. Powa wurde so zum Einhorn.

 

Der große Crash

Zu Beginn des Jahres 2016 bröckelte immer mehr die Fassade von Powa, das Unternehmen musste Konkurs anmelden. Auf den Konten: Guthaben von 250.000 US-Dollar, denen 16 Millionen US-Dollar an Verbindlichkeiten gegenüberstanden. Vom Venturekapital, was verbrannt wurde, keine Spur. So fährt man Unternehmen im Jahr 2016 an die Wand und hat Spaß dabei!

Kosten extrem

Wie aus dem Bericht von "Deloitte" hervorgeht ("Deloitte" übernahm die externe Leitung von Powa nach ihrem Konkurs), hat das Unternehmen in den Jahren 2013 bis 2015 immer einen satten Verlust nach Hause getragen. Mal waren es 23 Millionen US-Dollar Miese, mal 54 Millionen US-Dollar, die als Jahresverlust in die Bücher eingingen.

Allein für Büromieten gingen jährlich 3,5 Millionen US-Dollar drauf. Dem gegenüber stand die Zahl der Mitarbeiter, die von 2013 bis 2014 von 74 Mitarbeitern auf 430 aufgestockt wurde. Jeder hatte seinen Platz an der Sonne.

Etage 34 & 35

Nach dem Erhalt knapper 76 Millionen US-Dollar von der Investmentgesellschaft Wellington Management im Jahr 2013, residierte Powa standesgemäß im Heron Tower in London und hatte dort Etage 34 und 35 gemietet. Trotz der Verluste eröffnete man Niederlassungen in Italien, Spanien, Frankreich, Hong Kong, Mexiko und Thailand.

"Sie konnten zu einer Weihnachtsfeier kommen und einen Vizepräsidenten aus Spanien oder Griechenland treffen", sagte ein ehemaliger Mitarbeiter. "All diese Posten - es war reiner Wahnsinn. Und all diese Leute wurden bezahlt."

Striptease

Striptease. Quelle: flickr / Damien / CC BY 2.0

 

Die Mitarbeiter erinnern sich an Partys mit Stripperinnen und teurem Champagner und dass man sich auch sonst sehr großzügig gab:

"Der Heron Tower war wirklich nicht der richtige Ort für ein Startup. Vor allem nicht für ein Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaftet. Ständig Champagnerpartys zu feiern und Kapital zu verbrennen, sind da denkbar ungeeignet."

London Skyline. Quelle: flickr / Raphael Faeh / CC BY 2.0

Heron Tower, London

Der Heron Tower ist mit seinen 202 Metern das höchste Gebäude in der City of London. Vom 34ten Stock aus betrachtet liegt einem London buchstäblich zu Füßen.

 

Beim Vertrieb ist alles klar

Dan Wagner ist von Hause aus Verkäufer und somit der Vertrieb sein eigentliches Steckenpferd. Experten sehen auch hier einen Teil der Ursache für das Scheitern von Powa. Man begann Produkte schon zu vertreiben, bevor die Entwicklung überhaupt abgeschlossen war. Manager kassierten so Verkaufsprovisionen und Boni, bevor es zur Vertragserfüllung gekommen war.

Bedingungen wurden ausgehandelt, die absehbar so nie einzuhalten waren. Lieferungen verzögerten sich und Kunden wurden zunehmend unzufriedener. "Die Sales Manager waren zu sehr darauf bedacht neue Kunden um jeden Preis zu gewinnen", so ein ehemaliger Mitarbeiter.

Wagner umgab sich mit Menschen, die die Schwierigkeiten im Unternehmen ebenso ignorierten.

"Das Unternehmen war stark auf den Umsatz getrimmt. Vertriebler hatte ein Glöckchen, mit dem sie jeden Deal nicht nur sprichwörtlich einläuteten. Eingeläutet wurden somit auch die eigene Boni, die sehr üppig ausfielen. Alle anderen Angestellten galten als Personen zweiter Klasse", erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter.

Bizarre Personalpolitik

Eine der bizarrsten Geschichten rund ums Personal, dürfte wohl die des Buchhalters von Powa sein. Dan Wagner fuhr regelmäßig mit seinem Auto in eine Waschstraße, in der ein Mann namens Henry arbeitete.

Wagner fragte den Henry, was er in seinem Leben erreichen wollte und er antwortete ihm, dass es sein Traum sei einmal Buchhalter zu werden. Das muss Dan Wagner so beeindruckt haben, dass er ihm einen Buchhalterkurs bezahlte und eben dieser Henry zum Chefbuchhalter des Unternehmens wurde.

Wash my Car

Wash my Car. Quelle: flickr / Fonzie's Cousin / CC BY 2.0

 

Der Philosophie Wagners zufolge, hing der Verkaufserfolg eines Produktes maßgeblich von der Präsentation ab. Jedoch stand im Laufe der Zeit diese Behauptung mit zunehmend schlechteren Unternehmenszahlen in immer krasserem Widerspruch zur Realität.

Wagner – Exzentriker und Lebemann

Wer ist dieser Dan Wagner? Ja, man kennt ihn als Geschäftsmann, auch aus vorangegangenen Unternehmen. Aber das viele Geld, was man, vielleicht ziemlich wahllos und reichlich, in Powa gepumpt hat, beflügelte wohl auch den Dan Wagner, der sich vorher nur erahnen ließ.

Dass Geld das kann, wird vielleicht dem nicht ganz gerecht, aber hat sicherlich einen wichtigen Teil daran. Stellen Sie sich nur einmal vor Sie hätten innerhalb kürzester Zeit 200 Millionen US-Dollar in den Taschen und würden die Aussicht von der Dachterrasse des Heron Towers über die Metropole schweifen lassen. Da kann man mal schnell auf dumme Gedanken kommen.

Dan Wagner, Powa

Dan Wagner, Powa. Quelle: https://republic.ru/posts/67107

 

Zu Wagners bizarreren Auftritten zählen sicherlich auch die, bei denen der CEO sich kurz nach dem Tod David Bowies in einem Ziggy Stardust Kostüm ablichten ließ und das publizierte. Auch sonst ließ sich der stets gut gekleidete Mann gerne in rechte Licht setzen und genoss sichtlich seinen Bekanntheitsgrad und seine Medienpräsenz.

Powa Fusion mit MPayMe

Es kam zu einer Fusion mit einem ähnlich ausgerichteten Zahlungsdienstleister aus Hong Kong, jedoch blieb auch diese Zusammenführung erfolglos. Powa gab bekannt, dass der Unternehmenswert jetzt mehr als 2 Milliarden US-Dollar beträgt, aber andere Quellen schätzten seinen Wert zu diesem Zeitpunkt auf nur 243 Millionen Pfund (etwa 350 Millionen Dollar).

Der Leiter des schwedischen Zahlungsdienstleisters Klarna, Sebastian Siemiatkowski, sah in dieser Zeit schon das krasse Missverhältnis bei Powa.

Sebastian Siemiatkowski "Als ich diese Zahl (2,7 Milliarden US-Dollar) sah, dachte ich, dass es nur verrückt ist. Unser Anteil am gesamten schwedischen Onlinegeschäft betrug zu dieser Zeit rund 30 Prozent. Klarna hat 2014 neun Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. Der Umsatz von Powa belief sich im selben Jahr auf weniger als zwei Millionen US-Dollar."

PowaTag

Das mobile Einkaufen sollte einfacher werden. Hierzu hatte Powa eine Software entwickelt, mit der Kunden eine All-in-one-Lösung erhalten sollten. In der Vermarktungsstrategie von PowaTag hielt man es seitens Powa aber auch nicht immer so genau mit der Wahrheit. Man behauptete, dass zu PowaTags Kunden alles zählen würde, was Rang und Namen hatte, darunter Adidas, Reebok und beispielsweise Warner Music.

Dem war aber nicht so, denn es hatte sich um keine Kunden gehandelt, sondern in der überwiegenden Mehrheit lediglich um die Absichtserklärungen. ("Deloitte" bestätigte dies in einem späteren Bericht). Seitens Powa nicht die feine englische Art falsche Tatsachen zu behaupten.

Fiktive Kunden bringen Boni

Aus Sicht eines Vertrieblers waren Absichtserklärungen oder sonstige Vereinbarungen ein lohnendes Geschäft, da sie schon zu Bonuszahlungen führen.

Aber es waren faktisch keine Kunden und wollten es vielleicht auch nie werden.

Mr. Cash

Mr. Cash. Quelle: flickr / Greg van Brug / CC BY 2.0

 

Ehemalige Mitarbeiter erinnern sich: "Die Geschäftsführung war nicht wirklich daran interessiert, ernsthaft Geschäfte zu machen. Sie haben lediglich den Eindruck gemacht, dass sie Geschäfte machen."

Insider berichteten, dass Investoren wahrscheinlich am Unternehmen festgehalten hätten, wenn Wagner freiwillig seinen Platz als CEO geräumt hätte. Er selbst behauptet, er sei "sehr interessiert gewesen" sein Unternehmen erfolgreich zu machen, obwohl er zugibt, dass einige der ehemaligen Mitarbeiter ihm das möglicherweise nicht glauben werden.

Das Aus des einstigen Hoffnungsträger hat eine Schneise durch die britischen Investoren gezogen und einige unter Ihnen sehr viel vorsichtiger werden lassen – Spielgeld hin, Venturekapital her.

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