Jan Koum hat gut philosophieren und gerne möchte man ihm abnehmen, dass eine Messenger wie WhatsApp nicht nur zum Geld verdienen konzipiert wurde.
Der Deal 2014, bei dem WhatsApp an das soziale Netzwerk Facebook verkauft wurde, machte die beiden Gründer Jan Koum und Brian Acton zu Multimillionären und gleichsam Aktionären von Facebook. Dabei sind sie ein Teil von WhatsApp geblieben und entwickeln den Messenger weiter.
Im Tal macht man das nicht so
Wir treffen den 39-jährigen Koum in seinem Büro, in dem das Unternehmen erst seit kurzen weilt. Das dreistöckige Gebäude aus rotem Backstein und Glas wurde speziell für das Unternehmen gebaut und befindet sich mittendrin im Silicon Valley.
An den Wänden des Unternehmenssitzes sieht man überall das grüne WhatsApp-Logo. Es gibt keine Hängematten und anderen Schnickschnack, der so beliebt bei vielen IT-Unternehmen im Tal ist. Es gibt einen Speiseraum mit Selbstbedienung, Graffiti an den weißen Wänden, die Turnhalle.
Koum führt mich durch die Büros. Er trägt ein graues T-Shirt, ein dunkelblaues Sweatshirt und eine einfache Jeans und sagt, dass der Verkauf an Facebook höchstens 10 Prozent seines Lebens verändert hat, der Rest ist geblieben wie einst. In Kalifornien lebt Koum seit dem er 16 Jahre alt ist, spricht fließend russisch, das manchmal auch von englischen Worten durchsetzt ist.
Die Büros in der WhatsApp-Zentrale sind geräumig. "Ich hoffe, dass hier in Zukunft mehr noch Entwickler und Ingenieure sitzen werden, denn die Produktentwicklung wird auch in Zukunft bei uns einen noch höheren Stellenwert einnehmen", so Jan Koum.
Der WhatsApp-Gründer sitzt übrigens im allgemeinen Open Space, in der Nähe ist auch ein Arbeitsplatz von Co-Founder Brian Acton. In einen separaten Raum will der Milliardär nicht gehen: im Tal macht man das normalerweise nicht so. Im Übrigen möchte er auch wissen, was der Rest der Mannschaft macht.
An den Wänden hängen Fotos und Briefe aus der Anfangszeit von WhatsApp. Unter anderem auch Briefe der ersten Investoren, die im Frühstadium schon an den Messenger geglaubt haben, witzige Briefe und Danksagungen der zufriedenen Nutzer.
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Das Interview
Im Interview mit RBC gibt Koum erstmalig einem russischen Medium ein ausführliches Interview.
"Es ist für mich noch nicht interessant, mich mit anderen Projekten zu beschäftigen"
R. - Die Angaben über Popularität von WhatsApp in Russland sind sehr unterschiedlich, das einzige, dass sie gemeinsam haben – ist das Euer Messenger das populärste bei uns ist. Gibt es genauere Zahlen zu der Nutzerstruktur in Russland?
K. - Wir beobachten die täglichen Zuwachsraten beim neuen Publikum. Die Nutzerzahlen in Russland belaufen sich immerhin auf 25 Millionen Nutzer. Russland stellt einen der wichtigsten Märkte für uns dar. Viele Menschen nutzen Smartphones, um mit Freunden im In- und Ausland zu kommunizieren.
R. - Wie viele Nutzer sind es bei WhatsApp weltweit? Entspricht es Ihren Erwartungen?
K. - 900 Millionen Nutzer (Koum teilte das am 4. September 2015 in seinem Facebook mit). Wir wollen aber, dass WhatsApp auf jedem Smartphone installiert wird. Ich weiß nicht genau, wie viele Smartphones es derzeit auf der Welt gibt – wahrscheinlich zwei bis drei Milliarden. Das bedeutet, dass wir hinter unseren Erwartungen liegen und wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben.
R. - Vor ein paar Monaten noch haben Sie WhatsApp für die astronomische Summe von 19 Milliarden US-Dollar verkauft. Wie wurde diese Summe berechnet?
K. - Wir haben teilweise die Anzahl von Benutzer betrachtet – wie viele WhatApp damals hatte und wie viele könnte das Unternehmen in der nahen Zukunft haben. Betrachtet man den Zeitplan für ein Wachstum von WhatsApp, war es leicht vorauszusagen, wie viele Benutzer WhatsApp in 1-2 Jahren haben wird. Ich glaube, Facebook hat damals verstanden, dass wir in absehbarer Zukunft keine Wettbewerber auf dem Markt von mobilen Messengern haben.
R. - Was haben Sie mit dem Erlös aus dem Verkauf von WhatsApp ($ 4 Milliarden haben die Gründer als Geld erhalten, den Rest – mit Facebook-Aktien) gemacht, möchten Sie ein neues Geschäft starten oder in ein neues Startup investieren?
K. - Ich habe alles unter meiner Matratze versteckt. Nein! Alles ist sicher auf der Bank.
Ich habe keine Pläne in weitere Startups zu investieren und denke auch nicht das in Zukunft zu tun. Die meisten Startup Ideen halte ich für ziemlich dumm. Im Moment konzentriere ich mich weiterhin auf WhatsApp und denke immer daran, wie man die App besser machen kann. Es ist für mich noch nicht interessant mich mit anderen Projekten zu beschäftigen.
R. - Was hat sich in Ihrem Leben nach dem Deal verändert?
K. - Zu sagen, dass sich nichts verändert hätte, würde nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Aber, ich lebe nach wie vor noch dort, wo ich vorher auch gelebt habe. Meine Freunde sind die Gleichen geblieben. An meiner Arbeit hat sich auch nicht viel verändert. Nach dem Geschäft mit Facebook hat sich nichts wirklich Maßgebliches verändert.
R. - OK, dann stelle ich die Frage anders: welche Auswirkungen hat der Deal mit Facebook auf die Firma gehabt? Haben Sie weniger Freiheiten bei der Entscheidungsfindung?
K. - Wir verfügen nach wie vor über die volle Kontrolle bei der Produktentwicklung. Facebook kümmert sich um andere Bereiche, wie den Finanzen, Recht, Öffentlichkeitsarbeit und beispielsweise dem Personalwesen. Bis dato verfügten wir über keine eigene Finanzabteilung. Es war so, dass ich oder Brian Acton online alle Rechnungen per Mausklick überwiesen hatten.
Die Arbeiten an dem Produkt, das für mich und Brian immer im Vordergrund gestanden hat, bleiben auch weiterhin in unserer Hand. Alle Änderungen gerade sind die Produktverbesserungen, die wir noch vor der eigentlichen Transaktion mit Facebook durchführen wollten.
Wir setzten Sprachnachrichten und eine Desktopversion um. Wir haben eine ganze Reihe von Projekten, die wir in den nächsten Jahren umsetzen wollten. Diese sollten in Zukunft realisiert werden, aber durch die Facebook-Infrastruktur haben wir jetzt die Möglichkeit dazu und auch ein starkes soziales Netzwerk als Partner.
R. - Der Facebook eigene Messenger ist 2011 gestartet. Wie gehen Sie mit der Konkurrenz aus dem eigenen Hause um?
K. - Wie haben verschiedene Nischen mit völlig unterschiedlichen Angeboten. Der Facebook-Messenger ist mit Kontakten auf Facebook vernetzt und das System funktioniert nur mit Freunden aus dem sozialen Netzwerk. WhatsApp basiert auf der Telefonbuch-Funktion, das heißt, dass alle Kontakte aus dem Telefonbuch über WhatsApp kommunizieren können.
Die Menschen kommunizieren auch auf völlig unterschiedliche Arten. Das Angebot von WhatsApp ist sehr auf den Mobilbereich ausgerichtet. Der Messenger von Facebook wird vielfach auch in der Desktopanwendung benutzt.
R. - In Ihren Interviews haben Sie vielfach behauptet, dass bei der Erstellung von WhatsApp nicht das Geld und eine Monetarisierung im Vordergrund gestanden haben, sondern im Fokus war nur ein qualitativ hochwertiges Produkt. Haben Sie nie den Gedanken gehabt, reich zu werden?
K. - Ich habe lange bei Yahoo! gearbeitet, deswegen hatte ich Aktien und Ersparnisse, davon konnte ich gut leben. Ich hatte keine finanziellen Sorgen. Ich hatte den Plan mich ein Jahr mit WhatsApp zu beschäftigen und zu schauen, was passiert.
Als wir gemerkt haben, dass wir ein Produkt entworfen haben, das viele nutzen wollten, sahen wir unsere Chance und auch einen möglichen Erfolg in der Zukunft. Wir haben Risikokapital von Sequoia (einem der größten Venture-Fonds) erhalten und haben verstanden, dass wir uns nicht um persönliche oder finanzielle Nutzen kümmern sollen.
Wir müssen kein Geld verdienen
R. - Ist WhatsApp jetzt ein profitables Unternehmen?
K. - Wir haben momentan kein primäres Ziel damit, Geld zu verdienen. Der Deal mit Facebook erlaubt uns die Ressourcen so einzusetzen, dass unser Produkt besser wird. Auch in naher Zukunft planen wir uns nicht alleine auf die Monetarisierung zu konzentrieren. Unser Ziel ist, wie ich schon sagte, viel mehr als 1 Milliarde Benutzer zu erreichen.
R. - In einem Ihrer Interviews sagten Sie, dass Sie WhatsApp gerade an Facebook verkauft haben, weil Sie mit Mark Zuckerberg ähnliche Ansichten über Zukunft des Internet teilen. Was genau haben Sie damit gemeint und wie wird Kommunikation in Internet in zehn Jahren aussehen?
K. - Ich denke, dass ich nicht die richtige Person bin hier eine Einschätzung über zehn Jahren vorzunehmen kann. Meine Prognosen sind eher kurzfristiger Art. Ich bin mehr daran interessiert, was morgen oder übermorgen passieren wird.
Wenn man sich anschaut, was Facebook macht und was wir tun, dann ist sehr schnell klar, dass wir in unserer Zielrichtung sehr ähnlich sind. Wir wollen beide die Welt verbinden, damit Menschen frei miteinander kommunizieren können, um Informationen von Freunden und Angehörigen zu bekommen. Die Idee ist die, dass, egal wo sich Nutzer befinden, sie immer das Gefühl haben, dass Freunde und Familie bei ihnen sind.
R. - Haben Sie Zeit die Situation in der Ukraine zu verfolgen? Was denken Sie darüber?
K. - Ich würde nicht sagen, dass ich die Lage Vorort richtig einschätzen könnte. Ich verfolge die Neuigkeiten in der Welt. Die Lage ist nicht sehr gut dort, aber ich denke, dass sich am Ende alles zum Guten wenden wird und die Menschen anfangen eine gemeinsame Sprache zu sprechen.
Krieg und Opfer - es ist schlecht, egal in welcher Region der Welt sie auftreten. Wir hoffen, dass die Technologie von Facebook oder WhatsApp ein Stück dazu beiträgt, dass Menschen sich auch annähern. Vielleicht können wir so in den nächsten fünf bis zehn Jahren unsere Welt zivilisierter machen.
Die Killer-App
R. - Ist WhatsApp in der Entstehungszeit aus der Idee heraus entstanden, näher an den Menschen in der Ukraine zu sein, Ihrem Herkunftsland?
K. - Ehrlich gesagt, ich weiß nicht mehr genau, woher die Idee genau kam. Vielleicht war es Zufall. Früher lief ein großer Teil meiner Kommunikation über SMS in aller Welt, mir gefiel aber vieles bei den SMS nicht.
Als wir unseren Messenger entwickelt hatten, wusste ich genau, dass es eine "Killer-App" [ein Programm, das Benutzer dermaßen benötigen, dass es den Kauf einer Plattform rechtfertigen wird – sei es Spielkonsole, Betriebssystem, Smartphone] für Telefone wird, weil man das Telefon immer dabei hat.
R. - In Russland, wie auch in anderen Ländern, wollen manche Leute bei den Smartphones bereits vorinstallierte WhatsApp haben. Warum besteht gerade hier dieses Vorgehen und wie ist die Popularität von WhatsApp zu erklären. Weil Sie einer der ersten waren?
K. - Ja, wir waren die Ersten, und das verhalf uns zu weiten Teilen auch zu diesem Erfolg. Wir hatten aber auch ein einzigartiges Produkt. Ein Messenger, der Kontakte aus dem Telefonbuch bezog.
Bei ICQ zum Beispiel war die Kommunikation erst nach der Eingabe eines siebenstelligen Codes möglich, was nicht sehr nutzerfreundlich ist. Ebenso war die Kommunikation bei Skype oder Yahoo!-Messenger mit ihren Benutzernamen nicht so komfortabel wie bei WhatsApp.
Weiterhin konnte man bei Skype nie genau wissen, ob eine Nachricht in Abwesenheit eingetroffen war, wenn der Rechner mal ausgeschaltet war. Wir hatten von Anfang an ein anderes Konzept: das Telefon hat man immer dabei, es ist immer eingeschaltet, es ist immer greifbar und das machte unseren Messenger genau zu der mobilen Anwendung für Smartphonenutzer.
Schließlich verhalfen wir auch den Nutzern dazu, sich eine Menge Geld für SMS und MMS einzusparen. Wir haben nicht nur die SMS ersetzt, sondern die Funktionen einer SMS mit neuen Funktionen ergänzt, beispielsweise der Gruppenchat, Sprachnachrichten, Videoanrufe und mehr. Wenn vor 20 Jahren jemand gesagt hätte, dass man über Telefon Videoanrufe machen könnte, wäre er für verrückt erklärt worden.
R. - Jetzt sind die Menschen so gewöhnt an Messenger, dass sie weniger telefonieren. Was denken Sie, warum haben die Benutzer so schnell auf Text-Kommunikation gewechselt?
K. - Ich kann nicht für andere sprechen. Persönlich bevorzuge ich die Kontakte über Text-Chat, da ich denke, dass es weniger störend im Alltag sein kann. Tage werden für die Menschen immer ereignisreicher und Ablenkungen sind sehr stressig. Man hat vielleicht zu Abend gegessen oder macht gerade Hausaufgaben mit einem Kind oder befindet sich ein einer wichtigen Besprechung.
Ich nutze den Messenger beispielsweise, um ein nachfolgendes Telefonat anzufragen. So weiß man, dass Anrufe nicht stören und gerne geführt werden. Mir hat der Messenger das Leben sehr vereinfacht.
R. - In welche Richtung wird sich WhatsApp entwickeln? Welche neuen Funktionen können Sie hinzufügen?
K. - Normalerweise zählt es nicht zu unserer Firmenphilosophie schon Dinge, die sich in der Planungsphase befinden, an die Öffentlichkeit zu bringen. Was man sagen kann ist, dass wir daran arbeiten unser Produkt noch funktionaler zu machen. Es klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit sehr schwer.
Bietet man ein globales Produkt an, ist es notwendig es in verschiedene Sprachen zu übersetzen, in verschiedenen Netzwerken, Mobilversionen und Varianten zu testen.
R. - Wie haben Sie versucht in eine Nische von Firmen-Messenger, wo schon beispielsweise Slack gängig ist, zu kommen?
K. - Ich weiß es wirklich nicht, aber ich denke, dass auch Unternehmen sich die Funktionen von WhatsApp zunutze machen. Sehr oft hören wir davon, dass kleinere Gruppen wie Studenten, beispielsweise, WhatsApp nutzen. Wir versuchen aber mit unserem Messenger kein speziell abgestimmtes Programm zu bieten, sondern versuchen vielmehr offen für alle Nutzergruppen zu sein. Wir bieten also ein universales Produkt an.
R. - Betrachten Sie "Telegram" von Pawel Durow als ein ernstzunehmendes Konkurrenzprodukt?
K. - Ich denke nicht an "Telegram" oder andere Messenger. Ich versuche nur die ganze Zeit WhatsApp besser zu machen.
R. - WhatsApp, aber auch andere Messenger haben Probleme mit Spam. Wie kämpfen Sie dagegen an?
K. - Das ist ein Teil meiner konkreten Arbeit. Wir möchten jegliche Art von Spam vermeiden. Wir haben Leute, die sich speziell dieses Problem vornehmen und sehr großen Aufwand betreiben, um Schlupflöcher zu finden und zu schließen. Dabei steht uns auch Facebook zur Seite, beispielsweise wurde von dort ein Experte geschickt, der sich nur dieser Problematik annimmt.
"Ich habe nicht geplant, ein Unternehmen aufzubauen"
R. - Derzeit sind Sie sehr fokussiert auf die Arbeit bei WhatsApp. War das immer und fortwährend so oder gab es Momente, in denen Sie aufhören wollten?
K. - Seit wir angefangen haben, gab es nicht viele solcher Momente. Dennoch waren in der Anfangszeit, als wir Whatsapp als "Status" benutzt haben, vor allem in meinem engeren Umfeld nicht immer alle von meiner Arbeit überzeugt. In der App konnten die Leute deren Status wählen, wie beispielsweise, dass deren Smartphone-Akku fast leer ist oder jemand gerade in einem Fitness-Studio ist. Weiterhin konnte man darüber die gesamte Liste der Kontakte in Kenntnis setzen.
Es hat nichts gebracht und es war wirklich deprimierend. Meine Freunde sagten mir, dass ich mit diesem Unsinn aufhören und als erwachsener Mann ein Job finden soll. Das war noch im Sommer 2009. Aber als wir den Messenger aktiviert hatten, schoss er direkt nach oben und begann das Unternehmen zu entwickeln, verschiedene Plattformen zu verbinden und sorgte dafür, dass neues Personal angestellt werden konnte.
Aus meinem Hobby wurde ein Business, es passierte irgendwie unbemerkt für mich. Ehrlich gesagt, ich habe es nicht einmal geplant, ein Unternehmen aufzubauen, ich wollte nur ein Produkt machen. Aber plötzlich war ich ein Mann, der an der Spitze des Unternehmens steht.
Silicon Valley
"Seien sie vorsichtig bei der Auswahl ihrer Wünsche, denn sie könnten wahr werden."
R. - Mögen Sie sich in der Rolle des Geschäftsführers?
K. - Die Chinesen haben ein Sprichwort: "Seien sie vorsichtig bei der Auswahl ihrer Wünsche, denn sie könnten wahr werden."
Natürlich liebe ich meine Aufgabe und auch die Verantwortung. Was könnte es schöneres geben, als mit intelligenten Menschen zusammen zu arbeiten. Wir haben mit einem so kleinem Team ein so tolles Produkt kreiert! Auf der anderen Seite habe ich oft mit Dingen zu tun, die nicht so interessant für mich sind – beispielsweise Fragen über Umzug in ein neues Gebäude oder Personalfragen. Das lenkt von meiner eigentlichen Aufgabe ab.
R. - Haben Sie überhaupt noch Zeit selber zu programmieren und wie viel Prozent der Gesamtarbeitszeit macht sie aus?
K. - Es ist momentan schwer sich ganz auf das Programmieren und die direkte Arbeit am Produkt zu konzentrieren. Wir verfügen über ein wachsendes Team und es braucht circa die Hälfte meiner Zeit um die Interviews mit den Kandidaten zu führen. Den Rest meiner Zeit arbeite ich am Produkt.
R. - Sie haben bei WhatsApp Anfangs fast rund um die Uhr gearbeitet. Ist es jetzt etwas entspannter geworden?
K. - Das stimmt so natürlich nicht mehr. Dennoch gab es eine Zeit, in der Brian und ich auch samstags und sonntags gearbeitet haben. In dieser Zeit, die ungefähr zwei Jahren andauerte, habe ich keine meiner Verwandte oder Freunde gesehen, habe sogar vergessen, wie sie aussehen.
Das ist wirklich so, dass man seine sozialen Kontakte auf ein Minimum heruntergefahren soll, wenn man was erreichen will, insbesondere in Silicon Valley, wo es so viele Konkurrenz gibt.
Jetzt haben wir aber keine 70 oder 80 Stundenwoche mehr. Ich übernachte auch nicht mehr im Büro.
R. - Sie haben ein Unternehmen in einem eher reifen Alter nach 12 Jahren als Mitarbeiter einer Firma gegründet. Bedauern Sie nicht, dass Sie ein Geschäft nicht schon früher gegründet haben?
K. - Nein, es wäre dumm es zu bedauern, das Ergebnis ist doch ziemlich gut. Es zu bedauern wäre von meiner Seite vermessen.
R. - Haben Sie es nie bereut, dass Sie ihr Studium nicht abgeschlossen haben?
K. - Das bereue ich. Aus einem einfachen Grund, weil meine Eltern es sich gewünscht hätten. Ich begann mich jedoch an der Uni zu langweilen und dann kam die Chance bei Yahoo! Für einen 21-jährigen Einwanderer aus einfachen Verhältnissen ein sehr verlockendes Angebot. Ich mochte den Job und meine Kollegen sehr.
R. - Es scheint so zu sein, dass unter der Millionären und Milliardären ein hohe Zahl an Studienabbrechern besteht. Denken Sie, es gibt da einen Zusammenhang?
K. - Es scheint mir so, dass ein Hochschulstudium immer sinnvoll und hilfreich ist. Die Leuten sagen, dass Bill Gates oder Steve Jobs keinen solchen Abschluss haben und deswegen brauchen sie das auch nicht. Aber gegen diese beiden Beispiele kann man hunderttausend andere Beispiele finden, dass die Leute eine Universität absolvierten und erfolgreich wurden.
Jan Koum
R. - Es wird oft behauptet, dass die Erfolgschancen für Einwanderer in den USA eher klein wären. Sie sind der Beweis dafür, dass dem nicht so ist. Wie denken Sie darüber?
K. - Amerika ist von Einwanderern aufgebaut worden. Den American Dream haben auch die Einwanderer verinnerlicht. Im Gegenteil, man sagt, dass "first generation is the most successful" (von Englisch - "Dass die erste Generation - die erfolgreichste ist"). Die erste Generation erreicht in der Regel vieles im neuen Land. Für meine Mutter und Großmutter, die kein Englisch konnten, war es dennoch sehr schwer.
Junge Menschen sind anders. Insbesondere in der globalen Welt mit den technischen Möglichkeiten, ist das nicht mehr so maßgeblich, aus welchem Ursprungsland man kommt.
R. - Welche Art von Entwicklung wollen Sie bei WhatsApp sehen?
K. - Die Vorstellung ist ganz einfach, die Menschen, die WhatsApp jetzt nutzen, sollen das noch in 10 oder 20 Jahren tun. Ich will, dass WhatsApp ein Standard in Kommunikation zwischen Menschen, nicht nur in die nächsten ein paar Jahren bleibt.